Adventures - ein kurzer Abriss
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(Mit Anmerkungen des Adventure-Experten Theodor Isporidi.)
Das Adventure ist eins der ältesten Spielgenres. Sein Name erbte es vom ersten Vertreter, Collosal Cave Adventure, einem reinen Textspiel. Das Programm beschrieb eine Umgebung, und der Spieler mußte seine Anweisungen eintippen, um das Abenteuer voranzutreiben.
Ein sogenannter Parser verarbeitete diese Eingaben wie "GO NORTH", "OPEN DOOR" oder "GET LAMP". Das ist jetzt drei Jahrzehnte her, die Zeit, als Großrechner regierten, aber die Prinzipien, die das Spiel charakterisierten, gelten heute noch:
Ein Adventure ist den strengen Regeln unterworfen, die vom Programmierer festgelegt sind. Die Welt, in die der Spieler eingeladen wird, mag flexibel erscheinen, ist aber in Wirklichkeit relativ starr. Probleme lassen sich meist nicht so lösen wie Sie die Phantasie vorschlägt, sondern nur so wie es vorgesehen wurde. Die einzige Wahlmöglichkeit besteht meist darin, Teilaufgaben in verschiedener Reihenfolge anzugehen.
Das frustriert manchmal, regt aber auf der anderen Seite die grauen Zellen an. Das Knobeln, wie es nun weitergeht, welcher Hinweis verfolgt wird, welcher Gegenstand wie verwendet wird, das macht Adventures beliebt.
Collosal Cave - das erste Adventure
Die erste Fassung von Collosal Cave Adventure wurde 1972 von dem amerikanischen Höhlenforscher und Programmierer William Crowther geschrieben. Er untersuchte und kartographierte ein Grottensystem in Kentucky und entwickelte eine Software, um einen Plotter die die Karte zeichnen zu lassen. Als Nebenprodukt dieser Arbeit programmierte er eine spielerische Simulation, die auf diesen Karten basierte. Die Programmiersprache hieß Fortran, das zugrundeliegende Betriebsystem TOPS-10, und der Rechner war ein PDP-10 (Programmed Data Processor) der Firma DEC, ein 36 Bit verarbeitender Großrechner, der so teuer war, daß Firmen davon leben konnten, indem sie Rechenzeit an andere Unternehmen verkaufen, und zugleich ein Computer, an dem der jugendliche Bill Gates viele Stunden verbrachte.
Weil der Rechner nur sechsstelige Dateinamen verkraftete, wurde das Spiel auch unter dem Namen ADVENT bekannt. (Ein ähnliches Schicksal, aber auf einem IBM-Rechner, der nur fünf Buchstaben verkraftete, wurde der Programmiersprache FORTH zuteil, die eigentlich FOURTH heißen sollte.)
Im Laufe der Jahre wurde Colossal Cave erweitert und auf die verschiedensten Rechnersysteme portiert. 1976 bereicherte Don Woods das Spiel um Elemente, wie sie in den Büchern von Tolkien (Herr der Ringe) zu finden sind. Im gleichen Jahr wurde Colossal Cave in die Programmiersprache C umgeschrieben, die es für praktisch jeden Computertyp gibt. 1981 wurde das Spiel als The Orginal Adventure von The Software Toolworks, die später von Mindscape gekauft wurde, für den IBM-PC auf den Markt gebracht.
Colossal Cave war nicht die erste Unterhaltungssoftware, denn Textspiele wie Star Trek oder Hunt The Wumpus entstanden Jahre eher, aber es war das erste Spiel, bei dem es ein Abenteuer zu erleben galt, es war der Vater des Adventures.
Die Faszination für diese neue Spielegattung führte zur Gründung der legendären Firma Infocom, deren Textadventures wie Zork (dessen Nachfolger bis in die heutige Zeit reichen) und The Hitchhiker's Guide To The Galaxy (die Versoftung der Science-Fiction Parodie Per Anhalter durch die Galaxis) Kultstatus erzielten. Der Parser der Infocom-Spiele verstand selbst komplexere Befehle wie "OPEN THE MAILBOX AND LOOK INSIDE".
Die nächste Entwicklungsstufe war die Anreicherung um Grafiken. Zwar mußten immer noch Befehle eingetippt werden, aber die Beschreibungen wurden um Bilder ergänzt. Vorreiter war die junge Firma Sierra mit ihrem Debüt Mystery House im Jahre 1980. Das erste Sierra-Spiel erschien nur für den Apple II, aber der zweite Titel, Wizard And The Princess, wurde 1982 auch frür den IBM-PC umgesetzt.
Mystery House, 1980 |
Wizard And The Princess, 1981 |
(TI: Nicht nur ich kann mich daran erinnern, es auf dem C16 eines Freundes gespielt zu haben. Nun ja, ein so ganz 100%iges Adventure war das aber nicht, es ging ein klein wenig auch in Richtung Actionadventure.)
Ein schönes Beispiel für illustrierte Textadventures ist Wonderland, die Umsetzung von Alice im Wunderland. Windows-like lassen sich in dem 1990 erschienen Spiel von Magnetic Scrolls die Fenster für Text, Bild, Karte, Kompaß und Inventar in Größe und Position frei anordnen.
(TI: Stimmt, mit der Engine wurden dann auch weitere Spiele geschrieben, wie z.B. Eric the Unready, aber das war keine Innovation von Magnetic Scrolls, schon Jahre zuvor hat eine Firma, an deren Namen ich mich nicht mehr erinnern kann, zwei Spiele mit genau diesen Features herausgebracht. Kompaß, Karte, Inventar, Eingabefenster, Grafik jeweils in eigenem Fenster mit frei wählbarer Größe, und frei plazierbar. Sätze konnten eingegeben oder aus Wortlisten zusamengeklickt werden, wobei man auch ins Bild klicken konnte. Ich erinnere mich leider nur mehr an die Titel, die zwei Spiele heißen Shadowgate und Uninvited. [Und die Firma TMQ Software. RM.])
Wonderland, 1990 |
Davon abgesehen, wurden die neueren Spiele von Magnetic Scrolls trotz dieser Überarbeitung nicht mehr der große Hit. Man sollte lieber das Augenmerk auf die älteren Spiele von Magnetic Scrolls richten. Die waren an den Grafik-Adventures im Sinne dieses Wortes (textorientiertes Adventure mit gutem Parser und Bildern zur Illustrierung) viel näher dran als Sierra mit ihren "Ich bewege eine Spielfigur mit den Cursortasten über den Bildschirm und gebe gelegentlich Zwei-Wort-Kommandos ein, von denen der Pseudoparser den Großteil nicht versteht"-Spielen.
Ich denke dabei an Spiele wie ihr Erstlingswerk The Pawn oder den All Time Classic Gulid of Thieves, die für C64, Amiga, Atari ST, PC und sicher noch andere Rechner erschienen sind. Die Grafiken waren für damalige Zeit revolutionär gut und unterstrichen die guten textuellen Beschreibungen, und der Parser für die Eingaben hat sogar Infocom alt aussehen lassen.
Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie ich den Parser von Gulid of Thieves einmal überfordern wollte: Ich stand in einem Raum, in dem mehrere Gemälde hingen. Ein Rubens, Picasso und noch ein paar andere, ich kann mich nicht mehr an alle Maler erinnern. Ich gab grinsend folgendes ein:
"Get all paintings except the rubens painting and put them intro your backpack."
Anschließend wäre ich fast vom Stuhl gefallen, weil er genau das gemacht hat, was ich ihm aufgetragen habe. Daran werde mich wohl ewig erinnern.
Auch aus Deutschland haben drei Spiele dieser Gattung ein wenig Unsterblichkeit erlangt: Das Stundenglas, Die Kathedrale und Hexuma von der Weltenschmiede, bestehend aus Harald Evers und Andreas Niedermeier. Sie sind in den frühen 90er Jahren bei Software 2000 erschienen.
Das Stundenglas, 1990 |
Die Kathedrale, 1991 | Hexuma - Das Auge des Kal, 1992 |
King's Quest: Quest For The Crown, 1984 |
Bereits Mitte der 80er Jahre wurde eine Verbesserung angestrebt: Die Grafik war nicht mehr nur Beiwerk; der Spieler konnte (und mußte) sich zusätzlich im Bild bewegen. Besondere Kommandos galt es weiterhin einzutippen. Vorreiter war wieder einmal Sierra mit Spielen wie Kings Quest.
(TI: Das hat Sierra schon immer so gemacht.)
King`s Quest 2: Romancing The Thorone, 1985 |
Maniac Mansion, 1987 |
1987 übernahm mit LucasFilm (später LucasArts) ein anderes Unternehmen die Führungsrolle für Innovationen: Maniac Mansion war etwas Neues. Erstmals mußten keine Befehle mehr eingetippt werden; Aktionen wurden durch die Kombination einer Reihe abgedruckter Verben mit den Elementen der Grafik ausgeführt: Wenn mit einem Schlüssel eine Tür geöffnet werden soll, klickt man auf das Wort BENUTZE, kramt aus den Hosentaschen (im Adventure-Jargon Inventar gennant) den Schlüssel hervor und klickt dann auf die Tür: "Benutze Schlüssel an Tür".
Indiana Jones And The Fate of Atlantis, 1992 |
Diese SCUMM-Technik (Script Utility for Maniac Mansion) wurde in weiteren Spielen wie Zack McKracken, Monkey Island oder Indiana Jones And The Fate Of Atlantis verbessert und in ähnlicher Weise von anderen Herstellern übernommen.
Allerdings verschwanden die soliden Anweisungen vor einigen Jahren. Sie wurden ersetzt durch einen verbalen Kannibalismus ohne explizite Verbauswahl, bei der ein Mausklick "Betrachte", "Nimm" oder "Öffne" gleichzeitig sein kann.
Obwohl einige der genannten Spiele schon älter als zehn Jahre sind, werden sie zum Teil noch angeboten. The Lost Treasures of Infocom vereint zahlreiche Infocom-Perlen. Die Firma Activision bietet im Internet die Infocom-Spiele Zork I-III zum freien Download an. The Roberta Williams Anthology enthält vierzehn Spiele von Sierra, darunter die frühen Titel sowie die ersten sieben Teile der Kings Quest-Saga. 10 Adventures ist eine Zusammenstellung der hervorragenden Adventure-Klassiker von LucasArts.
Die Einführung der CD-ROM brachte Neuerungen in zweierlei Hinsicht: Der große Speicherplatz und die weitflächige Etablierung von Soundkarten erlaubten, Spielen eine Stimme zu geben. Heute ist die Synchronisation aller Sprecher Standardmerkmal eines Adventures. Und dank der erhöhten Leistungsfähigkeit der 386er und 486er PCs sorgten hochauflösende Standbilder oder gar gefilmte Animationen für Bewunderung. Als erstes Spiel, das speziell für CD-ROM entwickelt wurde, war 1993 The 7th Guest von Trilobyte bekannt.
(TI: Welches man aber nicht unbedingt als Adventure bezeichnen kann.)
Doch das multimediale Zeitalter sorgte nicht nur für Freude. Ein Spielfilm ist zwar nett anzuschauen eignet sich aber nicht sonderlich gut für Interaktionen. The 7th Guest war im Grunde genommen nur eine Sammlung von Knobelaufgaben, die durch Viedeosequnzen miteinander verbunden wurden. Die folgenden Spiele, bei denen Videos dominierten, zeigten endgültig, dass der Realismus mit verringerten Eingriffsmölichlichkeiten erkauft wurde. Nur wenige dieser Titel, zu nennen etwa Phantasmagoria, wurden erfolgreich.
Heute besinnt sich die Industrie wieder auf gezeichnete Grafiken, wobei Auflösung und Farbtiefe verbessert wurden, wie etwa bei Baphomets Fluch von Revolution Software.
Eine gelungene Kombination aus Pinsel und Kamera präsentierte 1995 Sanctuary Woods mit The Riddle of Master Lu: Vor detailreich in Super-VGA gezeichneten Bildern agieren "echte" Schauspieler.
Baphomets Fluch, 1996 |
Fast immer bleiben deutsche Softwarehäuser bei der Entwicklung außen vor - keine auf Adventures zu beschränkende Beobachtung, denn die hiesigen Unternehmen schauen bei fast allen Generes der ausländischen Konkurrenz hinterher. (Die große Ausnahme ist Blue Byte. Die Mülheimer zeigen mit Titeln wie Schleichfahrt, Die Siedler II und Extreme Assault, daß Deutschland mehr kann, als Wirtschaftssimulationen zu programmieren.)
Außer den erwähnten Textadventures der Weltenschmiede, den Comic-Adventurers Chewy - Esc von F5 (Blue Byte) und Bazooka Sue (Sarbyte) sowie einigen Werbespielen wie Time Trouble - Die Jagd nach der Formel (Westka) oder Dunkle Schatten I-III (Art Department), Spielen, die zwar nett waren, aber nicht zum Besteller avancieren konnten, hat Deutschland in diesem Genre nichts zu bieten.
Nachtrag: Neuerdings doch, und zwar Das Geheimnis der Druiden.
Übernommen aus dem offiziellen Jack Orlando-Lösungsbuch