1938: Jahr der Täuschung
1938 ist in der deutschen Geschichte ein Schlüsseljahr: das letzte Jahr im – zumindest äußeren – Frieden und zugleich das Jahr, nach dem eigentlich kein vernünftiger Zweifel mehr an den verbrecherischen Zielen des Regimes bestehen konnte. Es ist – mit dem “Anschluss Österreichs”, der Sudetenkrise, dem Münchner Abkommen und der Pogromnacht – innen- und außenpolitisch das entscheidende Jahr des Dritten Reichs. Die Judenverfolgung wandelt sich in offenen Terror, der Eroberungskrieg wird beschlossen und vorbereitet. Nichts bleibt geheim. Im Gegenteil: Hitler scheint sein Volk in diesem Jahr testen zu wollen. Erstmals können die Deutschen ihn und sein Regime ohne jede friedfertige Camouflage erkennen. Und das Volk? Der Alltag geht weiter, als sei nichts geschehen. Am Ende dieses Jahres wissen die Deutschen, was die Nazis wirklich wollen, und die Nazis wissen: Die Deutschen machen mit. Die Dokumentation des Autors und Publizisten Wilhelm von Sternburg lässt Eindrücke und Ereignisse dieses besonderen Jahres Revue passieren. Prominente Zeitzeugen – die Psychoanalytikerin Margarete Mitscherlich, der Historiker Fritz Stern, der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki, der Schauspieler Otto Tausig und andere – erinnern sich, wie sie selbst das Jahr 1938 erlebt haben, wie es ihr Leben als Opfer oder Zuschauer der NS-Politik verändert hat. Immer wieder stellt der Film unausgesprochen die Frage, die seit Kriegsende die Nachgeborenen bewegt: Hat es wirklich keine Möglichkeit gegeben, zu begreifen und zu verhindern, was sich 1938 so deutlich abzeichnete?