Neue braune Welle: Die Jugend im Visier der Rechtsextremen
Die Zahl der Neonazis in Deutschland ist im vergangenen Jahr laut Bundesverfassungsschutz wieder massiv gestiegen. Auch “rechte” Gewalttaten haben deutlich zugenommen. Was passiert derzeit innerhalb der rechtsextremen Szene und wie arbeiten NPD und Kameradschaften zusammen? Die NPD arbeitet mit einem vom Parteivorsitzenden Udo Voigt propagierten “Drei-Säulen-Modell”: dem “Kampf um die Straße”, dem “Kampf um die Parlamente” und als Basis – dem “Kampf um die Köpfe”, was das heißt zeigen die Autoren Beate Frenkel und Winand Wernicke anschaulich in der Dokumentation “Neue braune Welle”. Dabei hat die rechtsextreme Partei vor allem die Jugend im Visier. “Mit rassistischer Musik fängt es an, es folgen Kleidung und Tattoos”, dann gehört man irgendwann dazu”, so beschreibt der 19-jähriger ehemaliger Neonazi Florian seinen Weg in die rechte Szene und die damit einhergehende brutale Gewalt: “Du siehst Ausländer, hörst deine Musik, dann haust du einfach drauf – wie in einem Rausch”. Über Musik und vor allem über ein gewisses “Kameradschaftsgefühl” geriet er selbst in den braunen Dunstkreis. Ob ein Kind oder Schüler ideologisch gefährdet ist, erkennt man an Symbolen und Sprüchen, die man von Anfang an “ernst nehmen sollte”, erklärt ein Lehrer vor der Kamera, der sich seit Jahren gegen Neonazi-Umtriebe der Schüler engagiert. Geködert wird der NPD-Nachwuchs mit einem vielfältigen Freizeit- und Musikangebot. Einen “Rechtsextremismus mit Eventcharakter” nennt das Thorsten Hahnel, selbst langjähriger Beobachter der Neonazi-Szene in Sachsen-Anhalt. NPD-Mitglieder organisieren Kinderfeste, trainieren den Jugend-Fußball-Club der Umgebung, Kameradschaften nutzen die Suche Jugendlicher nach Beschäftigung und Orientierung aus. Auch Aufmärsche der Jungen Nationalen, der Nachwuchs-Organisation der NPD und der Freien Kameradschaften machen den Rechtsextremismus erlebnisreich – den jungen Leuten wird “etwas geboten”. Dieses Phänomen sei gerade in Westdeutschland unterschätzt worden, bekräftigt Matthias Windisch, der Leiter der bayerischen Landeskoordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus. Die Aktivitäten der Neonazis in Bayern seien ein flächendeckendes Problem: “Das sind keine tumben Neonazis die sich besaufen, sondern Leute, die sich sehr schnell den neuen Gegebenheiten anpassen, chamäleonartig, um vor Ort möglichst viele Leute ansprechen zu können.” Gemeinsam mit Kameradschaften und sogenannten Freien Nationalisten streben sie eine “Vorherrschaft” in gesellschaftlichen Bereichen an. Der Film verdeutlicht am Beispiel zweier Bundesländer – Bayern und Sachsen-Anhalt – wie sich der Umgang mit Rechtsextremen in Ost und West unterscheidet und welche Konsequenzen das mit sich bringt. Denn während im Osten das Problem seit Jahren benannt ist, glaubte sich der Westen lange immun. Weitgehend unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit hat sich in vielen Orten in Bayern eine aktive Neonaziszene etabliert, deren Aktionen die Gemeinden oftmals vollkommen hilflos gegenüber stehen.