Die spanische Inquisition
Wohl zu keinem Aspekt der menschlichen Geschichte klaffen Wahrheit und Folklore so weit auseinander wie in Religions- und Glaubensdingen. Und wohl keine Epoche der Menschheitsgeschichte hat eine derart konzentrierte Falschberichterstattung angezogen wie das Mittelalter.
Bei dem Stichwort "Inquisition" treffen beide Fehlerquellen - das aufgeklärte Schablonendenken in allen Dingen, die Religion betreffen, und die moderne Geringschätzung des Mittelalters - sich verstärkend aufeinander. Und sie produzieren eine geradezu groteske Fehleinschätzung. Denn anders als uns Hunderte von Büchern oder Filmen glauben machen wollen, waren die Inquisitoren des Mittelalters vergleichsweise warmherzige, ernsthaft um Gerechtigkeit bemühte Leute ("among their contemporaries, the inquisitors generally had a reputation for justice and mercy" - MS Microsoft Enzyklopädie Encarta); zumindest in den Anfangsjahren sahen sie ihre Hauptaufgabe eher darin, nicht die Menschen mit Gewalt zu ihrem Seelenheil zu zwingen, sondern die Menschen vor Gewalt zu schützen.
Vor der Einsetzung der Inquisition durch Papst Innozenz III. regierte in Glaubensdingen das gesunde Volksempfinden; aufgebrachte Gläubige pflegten als Ketzer verdächtige Personen kurzerhand zu lynchen, an geordnete Verfahren war in solchen Fällen micht zu denken:"Daraufhin reisten wir zum Konzil in Beauvais, um die Bischöfe zu befragen, was zu tun sei", berichtet der al "unbequemer, selbständig denkender Kritiker" bekannnte Guibert von Nogent, als mehrere seiner Schutzbefohlenen wegen Ketzerei verleumdet worden waren. "Inzwischen aber fürchtete das Gläbige Volk die Nachgiebigkeit der Kleriker, lief beim Gefängnis zusammen, riß die Häretiker heraus, legte ihnen draußen vor der Stadt Feuer unter und verbrannte sie."
Um dergleiche Übergriffe zu verhindern, verlangte Papst Innozenz III. Anfang des 13. Jahrhunderts vor jeder Verurteilung eine genaue Untersuchung (eben eine "Inquisition"). Mindestens zwie Zeugen waren beizubringen, die Beschuldigten waren zu hören und wurden wenn sie bereuten, ohne großen Schaden wieder freigelassen - verglichen mit der Willkür und der Lynchjustiz davor ein ein großer Schritt in Richtung aufgeklärtes Rechtsverständnis.