Das Programm bin Ich: Personenkult in der Politik
Früher war es Politikern sogar verboten, in der Öffentlichkeit zu lächeln: Ein strenger Blick galt als Zeichen für Seriosität und Zielstrebigkeit. Heute dagegen ist Bürgernähe gefragt: Die Politiker sollen Einfühlungsvermögen zeigen, ihre Gefühle zur Schau stellen und um jeden Preis “natürlich” wirken, als wollten sie sagen: “Ich bin einer von euch!” Mittlerweile wird uns praktisch kaum noch etwas vorenthalten beziehungsweise erspart, was ein Politiker tut oder empfindet. Die technische Entwicklung der Medien hat sicherlich zu dieser tiefgreifenden Veränderung beigetragen: angefangen von der Erfindung der Fotografie über den Hörfunk, bis hin zu Fernsehen und Internet. Insbesondere Material aus Filmarchiven: seien es die ersten politischen Werbespots aus den USA der 40er Jahre oder die Reality-TV-Sendungen der 90er: alles ist ein Beleg dafür, dass sich die Politiker immer wieder auf das Glatteis der Bildmedien begeben, auch wenn sie dabei manchmal ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzen. Und die Geschichte der Medienpräsenz hat ihre Helden: Kennedy, de Gaulle, Schröder, Berlusconi oder Sarkozy. Heute stellen die Politiker sich selbst und ihre Gefühle in einem solch hohen Maße zur Schau, dass der mediengerechte Auftritt fast zum Selbstzweck wird. Dahinter verbirgt sich eindeutig die Krise des vormals hoch angesehen Politikerberufs, die Nivellierung von politischen und sozialen Unterschieden. Reduziert sich Politik auf die Empathie mit den Mitbürgern? Ist unsere Demokratie deshalb etwa in Gefahr? Historiker, Soziologen, Politologen und Politiker deuten und kommentieren diese Entwicklung.